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Il Vittoriale degli Italiani, skurriles Monument eines Phantasten

Von mosaik

Mit dem Spruch „Ich habe, was ich gegeben habe“, der in lateinischer Sprache gleich beim Eingang zu dem neun Hektar großen Grundstück prangt, hatte sich Gabriele d’Annunzio noch zu Lebzeiten unsterblich machen wollen. Er schenkte dem Staat sein Anwesen, damit es nach seinem Tode weiterlebe.

An einem Hang oberhalb des Westufers des Gardasees in Gardone Riviera liegen also dieser Park mit Villa, Mausoleum, Theater, Kriegsmuseum und der Bug des Kriegsschiffes „Puglia“. Dieses Anwesen mietete D’Annunzio 1921 und blieb darin bis zu seinem Tod am 1. März 1938. Es war die ehemalige Villa des Kunsthistorikers Henry Thode, der nach dem Ersten Weltkrieg enteignet wurde und das Gelände dem italienischen Staat zufiel.

Ich schreite also durch den Eingangsbogen und biege noch vor der Villa nach rechts zum Theater ab. Es liegt in herrlicher Panoramalage mit Blick auf den Gardasee. Im Sommer finden hier Freiluftveranstaltungen und Konzerte statt. Das muss ein wunderbares Erlebnis sein, wenn abends an den Seeufern die Lichter schimmern, am Horizont die Lichter auf der Halbinsel Sirmione wie Sterne funkeln und im Theater die Musik von Mozart oder Verdi erklingt.

Dann erreiche ich den großen Vorhof bei der Villa. Links, in einem verglasten Raum, steht ein FIAT Typ 4. Mit diesem Wagen fuhr d’Annunzio 1919 nach Fiume, dem heutigen Rijeka, um es 15 Monate mit einer Gruppe von Freischärlern zu besetzen. Der Besuch der Villa ist nur ohne Taschen und ohne Fotoapparat gestattet. Beides kann man in kostenlosen Stahlschränkchen versperren, wobei mich die Verriegelung nicht überzeugen konnte (also, Wertsachen vor dem Besuch im „Il Vittoriale“ lieber im Hotel lassen). Ja und die Räume in der Villa sind ein skurriles Sammelsurium von d’Annunzio: die Eingangstreppe wird durch ein Geländer in zwei Aufgänge geteilt: links geht es in das Wartezimmer für unerbetene Gäste, rechts in jenes für geschätzte Besucher. Dann führt einem der Rundgang in düstere Zimmer mit geschlossenen Vorhängen, in ein Badezimmer, in dem die Farbe Blau vorherrscht – mit mehr als sechshundert Utensilien, die sich angeblich darin befinden sollen, in die Bibliothek, in der auch noch alle Bücher des Vorbesitzers, Henry Thode, zu sehen sind, in den Speisesaal für seine Gäste, „La Cheli“ – dort ruht links neben der Tafel auf einem eigenen Tisch eine Riesenschildkröte: einst holte sie d’Annunzio in seinen Park, wo sie aber giftige Pflanzen fraß und daran starb. Nun steht eine bronzene Nachbildung des Tieres im Original-Panzer am Tisch zur Warnung an die Gäste des Hausherrn, nicht zu viel zu essen! Und so geht es munter weiter. Im Arbeitszimmer von d’Annunzio, dem einzigen, halbwegs hellen Raum, steht eine halb zugedeckte Büste einer seiner Geliebten (er hatte der Legende nach ungezählte…) Eleonore Duse, eine Schauspielerin seiner Zeit. Zugedeckt deshalb, damit er eine nicht sehende Zeugin seiner Arbeiten habe. Ein Reliquienzimmer, ein „Gemach der reinen Träume“, der Korrespondenzraum d’Annunzios, an dessen Eingang eine abgetrennte und abgehäutete Hand darauf verweist „erst abgeschnitten kommt sie zur Ruhe“ und andere Räume, vollgestopft mit allerlei Kram, Kuriosem und Unterhaltsamen folgen.

Jetzt steige ich kopfschüttelnd ob des Gesehenen eine Treppe im Park zu kleinen Weihern und Wasserfällen hinauf. In einer Halle kann ich das U-Boot-Jägerboot MAS anschauen, mit dem es d’Annunzio am 10. Februar 1918 mit nur 30 Mann gelang, die Bucht von Bakar – damals fest in k&k Hand – einzunehmen. Am Umgang um das Schiff gibt es zahlreiche zeitgenössische Darstellungen von d’Annunzio und seinem Kriegs(helden)leben zu sehen. Dann gehe ich zum Mausoleum, dem höchsten Punkt im Gelände. Hier liegt der Dichter, Kriegsheld, Phantast und Faschist Gabriele d’Annunzio in einem Sarkophag in der Mitte eines Rondeaus, an dessen Außenseite zehn weitere Sarkophage mit den sterblichen Überresten „Demütiger, Künstler und Helden“ stehen. Es geht wieder durch eine Allee von schattenspendenden Bäumen abwärts, zum Bug des Kriegsschiffes „Puglia“ aus dem Ersten Weltkrieg. D’Annunzio ließ es 1925 mit Blickrichtung Fiume, dem heutigen Rijeka, erbauen. Von der „Puglia“ geht es wieder in Richtung Villa zurück, jedoch in einem fast romantisch wirkenden Teil des Parks. Vier Terrassen mit unterschiedlichen Themen, mit symbolischen Monumenten und Denkmälern durchwandere ich und finde viele Fotomotive (ausgenommen in der Villa selbst, darf man überall fotografieren).

Bevor ich das „il Vittoriale degli Italiani“, das “Heldendenkmal der siegreichen Italiener” verlasse, besuche ich noch das Kriegsmuseum. Hier kann man Zeitdokumente an den Wänden und auf einer Kinoleinwand, aber vor allem eines sehen: einen an der Decke des Saales hängenden Doppeldecker des Typs SVA, mit dem d’Annunzio am 9. August 1918 von Pelaggio bei Abano Terme gestartet war, nach Wien flog (!), dort Flugblätter abwarf (Gebt auf, ihr werdet doch den Krieg verlieren…) und wieder zurück flog.
Es waren mehr als zwei Stunden Unterhaltung der anderen Art für mich. Ich habe schon viel gehört und gelesen von „Il Vittoriale“. Aber nach diesem meinem ersten Besuch bin ich zwiegespalten: Ja, das musste ich sehen, ja das müsst ihr euch auch anschauen, aber einmal reicht; oder doch: nein, wenn ich wieder in der Gegend bin, schaue ich nochmals vorbei. So viel Skurriles, so viel Theatralisches, so viel Heldentum gehört einfach beachtet!

Information:
Il Vittoriale degli Italiani
25083 Gardone Riviera
www.vittoriale.it
ganzjährig geöffnet

Geschrieben 16.09.2010, Geändert 16.09.2010, 2254 x gelesen.

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