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Papierherstellung in Fabriano

Von Teramo

Fabriano liegt in einer Talebene, umgeben von Bergen, die zum Wandern und Pilzesammeln einladen, so heisst es in den Prospekten der Stadt. Heute fährt man aber nicht mehr über die Höhe, sondern bequem durch einige Tunnels auf einer Schnellstraße von Umbrien kommend in etwas mehr als 20 km nach Fabriano. Wir fahren bei der Ausfahrt Fabriano Ovest raus, was auch gut war:

Denn die berühmte Papierfabrik Cartiere Miliani liegt an dieser von Westen kommenden Einfallstraße. Von außen nix besonderes, aber durch das später im Museum erworbene Wissen im nachhinein interessant. Denn das ganze Firmengelände liegt entlang dem Flüßchen Giano, an dem früher die Mühlen standen, um die hydraulischen Pressen bewegen zu können. Und so kann man sich ein Bild machen von der Geographie des Entstehens der heutigen Stadt.

Apropos heutige Stadt: Fabriano gab es sehr wohl schon zur Römer-Zeit, nur bedeutsam wurde sie erst im Hochmittelalter nach den Kreuzzügen. Denn offenbar aus dem Orient brachten handwerklich Interessierte die Kunst des Papiermachens hierher. Bereits im Jahr 1283 werden in einem offiziellen Dokument Papiermühlen in Fabriano erwähnt. Das Stadtwappen, einem alten Relief entlehnt, stellt einen Papiermacher über einer Brücke dar. Eine schöne Abbildung, die dem Besucher beim Schlendern durch die Stadt auf Schritt und Tritt begegnet.

Wir kommen ins Zentrum zu einer Uhrzeit, zu der noch nicht so viel los ist. So haben wir Zeit, durch die Gassen zu bummeln, uns ein erstes Bild von der großteils noch in mittelalterlicher Gestalt der knapp 30.000 Einwohner zählenden Stadt zu machen. Oberhalb des Domes stoßen wir auf ein hervorragend renoviertes Gebäude mit terrakottafarbenen Plastiken: Hier sind also die Schäden vom großen Erdbeben 1997 behoben. Bei vielen anderen Gebäuden stehen noch die Gerüste oder Stützen vor den Mauern. Fabriano war nur 25 km vom damaligen Epizentrum entfernt. Im Dom sind sie noch am Restaurieren, an jedem Seitenaltar pinseln, reinigen Handwerker oder Künstler - schade, ich hätte gerne das Grab des hl. Romualdo gesehen.

Da wir so früh dran sind, ist ein Besuch des Papiermuseum bis Mittag gut möglich. Das Museo della carta e della filigrana ist didaktisch sehr gut aufgebaut und es wert, die Lire 8.500 pro Person zu berappen. Darin ist enthalten eine Filmeinführung (auf Nachfrage in Deutsch) in die Kunst des Büttenschöpfens. Ohne dieses Vorwissen versteht der Laie vieles nicht.

So ist hier auch ein Exemplar der Hammermühle zu sehen, die in Fabriano entwickelt wurde und ab dem 14. Jahrhundert die manuellen Mörser der Chinesen und Araber ersetzte. Die Hammermühle besteht aus zahlreichen mit Eisenstiften gespickten Holzstößeln, die - mit Wasserkraft betrieben - auf die in einem Steinbottich befindlichen Lumpen niedersausen und diese zu Brei zerkleinern.

Aber der Reihe nach die Arbeitsabläufe:

Die durch die Hammermühle zu einem zähen Brei zerkleinerten Lumpen kommen in einen großen, hölzernen Bottich. Ein Meister schöpft den Papierbrei mit einem auf einen Holzrahmen aufgezogenen Sieb aus der Bütte, verteilt ihn gleichmäßig und reicht den Rahmen an seinen Mitarbeiter, Gautscher genannt, weiter. Dieser stülpt den Rahmen auf ein Filztuch und drückt das Blatt fest darauf. Das Sieb wird zu zweit abgehoben und auf das geschöpfte Papier ein weiteres Filztuch gelegt. Der Stapel von Papierbögen und Filztüchern wird unter eine Presse geschoben, um den Wassergehalt weiter zu reduzieren. Dieser Vorgang des Papierschöpfens ist so anstrengend und erfordert soviel Konzentration, daß auch ein erfahrener Papiermacher diese Arbeit nur zwei bis drei Stunden durchführen kann. Mehr als 150 Blatt Papier soll ein Papiermacher nicht in einer Schicht herstellen!

Das Papier würde jetzt noch wie Löschpapier wirken: die Farbe würde darauf unkontrolliert verlaufen. Aus diesem Grund werden die Papierbögen durch heißen, flüssigen Leim gezogen, der darüber hinaus das Papier haltbar macht. Nachweislich wurde erstmals in Fabriano Gelatine anstelle von Stärke verwendet.

Im Museum führen Mitarbeiter vor, wie vor 700 Jahren Papier geschöpft wurde. Es ist beeindruckend, wieviel handwerkliches Geschick und Erfahrung es bedarf, einwandfreies Büttenpapier herzustellen.

Eine weitere bedeutende Erfindung aus Fabriano ist die Herstellung von Wasserzeichen. Diese kennzeichneten ursprünglich die Produkte der verschiedenen Papiermühlen in Fabriano und ermöglichten derenUnterscheidung. Es gibt zwei Arten von Wasserzeichen. Die einen bestehen aus Linien wie beispielsweise die Schriftzüge, Wappen oder kleinen Symbole auf Schreibpapier und Aquarellbögen. Die Zeichen werden aus dünnem, rostfreiem Draht gebogen und mit Metallfäden auf das Schöpfsieb genäht. Noch aufwendiger ist die Herstellung von Wasserzeichen, die wie monochrome Bilder aussehen. Im Museum sieht man Fotografien, auf denen Frauen gleichsam Stickerinnen den dünnen Draht ins Sieb nähen. Das so entstandene Metallsieb wird auf einen Schöpfrahmen befestigt und bewirkt dann beim Papierschöpfen, daß an den erhabenen Stellen weniger Papierbrei stehenbleibt, das Papier dort dünner und dadurch durchscheinender ist. Die Nuancen in der Papierstärke machen dabei nur einen Hundertstel Millimeter aus.

Der Museumsbesuch ist kurzweilig, die eineinhalb Stunden vergehen im Flug. Ein besseres Kompliment kann man dem Museumsdirektor oder denen, die die Idee hatten und sie umsetzten, nicht machen. Ein Kauf von Papier im obligatorischen Museumsshop verkneifen wir uns, weil wir morgens beim Verlassen des Fahrzeugs eine Buch- und Papierhandlung entdeckt hatten, die möglicherweise günstigere Preise bot.

Buchhandlung Lotti: Ein Einkauf hier ist auch ein eigenes Erlebnis. Ein überaus nervöser, nein tollpatschiger Signor Lotti in einem völlig überladenen Geschäft, bestehend aus zwei großen, zusammenhängenden Räumen mit je einem Eingang. Der eine Raum beherbergt nur die Papierwaren, ausschließlich Produkte von der Papierfabrik Cartiere Miliani, wahrscheinlich sämtliche Produkte, vom einfachen Block, soweit ich es so despektierlich sagen darf, über Briefpapier mit -couverte in allen Variationen bis hin zu den Künstlerpapieren, die auch heute noch aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften von bedeutenden Künstlern und Hobbymalern verwendet werden. Die Firma Cartiere Miliani wurde übrigens von Pietro Miliani 1786 durch den Zusammenschluß mehrerer kleiner Papiermühlen gegründet, und ist heute der einzige Papierhersteller Fabrianos und der größte Italiens. Wir brauchen über eine halbe Stunde, um uns für schöne Mußestunden, Briefeschreiben etc. das richtige Papier auszuwählen. Denn nach dem Besuch des Museums waren wir plötzlich zu Freunden des handgeschöpften Papiers geworden. Kein Wunder, wissen wir doch nun den Wert der Herstellung zu schätzen.

Auch der andere Raum ist zum Stöbern amüsant, denn die Auswahl an Büchern über die Marken ist gut und Wanderkarten für den Nationalpark Cucco sowie die Sibellinischen Berge sind erschöpfend vorhanden. Und immer wieder bekommen wir mit, dass Signor Lotti beim Bedienen seiner Kunden mal wieder hier oder dort gegen einen Stapel Waren stieß und fluchend Papiere oder Kalender erneut auftürmen muss.

Nach einem kurzen Cafebesuch starteten wir wieder unseren VW-Bus mit der gemeinsamen Feststellung, dass Fabriano ein Städtchen ist, das gefallen kann, einen Besuch wert ist. In unserem Fall mehr als einen Besuch, denn die Werke von seinem berühmtesten Sohne haben wir uns nicht angeschaut. Wie denn auch, wenn unser Grundsatz heißt: An einem Tag maximal ein Museum, zumal zur Mittagszeit die Pinakothek eh geschlossen wäre. Neben der Papierherstellung ist Fabriano bekannt geworden durch eine aussergewöhnlich erfolgreiche Malerschule in der Gotik und späteren Frührenaissance. Ja, in diesem vermeintlich abseits liegenden marchegianischen Städtchen, im äußersten Südwesten der provincia (= entspricht unserem Landkreis) Ancona gelegen, entstand über zwei Jahrhunderte eine Malschule, die keine Geringeren als Allegretto Nuzi (1320 - 1373), Gentile da Fabriano (1370 - 1427) und Antonio da Fabriano (1451 - 1489) hervorbrachte. Der berühmteste, Gentile da Fabriano hat die Cappella di Corporale im Dom von Orvieto mit Fresken geschmückt und es mit seiner Adorazione die Magi bis in die Uffizien von Florenz gebracht. Fra Angelico war sein Verehrer und Nachahmer.

Aber hierzu hatten wir keinen Nerv mehr, lockt doch unser Mittagessen, und von Gentile ist auch nichts in der Pinakothek, leider scheint den Verantwortlichen der Ort denn doch nicht bedeutsam genug zu sein.

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Das Papiermuseum

Geschrieben 16.02.2003, Geändert 16.02.2003, 8719 x gelesen.

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