Von Taranteln und Gezwickten

Ach was war das doch wieder ein Genuss...am vorletzten Tag des Jahres, abends ca. 21 Uhr in einem 300 Seelen-Kaff an der südlichsten Spitze Apuliens. Ich schildere Ihnen kurz die Szene....ca. 6 Grad plus. Kein Hund auf der Strasse. Spärliche Beleuchtung. Stille.

„Das ist hier nicht. Die haben das Konzert abgesagt. Ich meine, diese Kälte...wären wir doch zuhause geblieben....“ Ich kann’s nicht beschwören, aber ich meinte, das hätte mein Mann, der Pantoffelheld gesagt. Wir saßen im Auto. Ich hatte am selben Tag am Vormittag auf einem Schild am Straßenrand gelesen: „LU RUSCIU NOSCIU – letztes Konzert in diesem Jahr. 30.12.2006, Ruggiano di Salve (LE), 20.30 Uhr.“ – Alles auf italienisch selbstredend. Ich hab’s nur der Einfachheit halber hier gleich mal übersetzt. Und wenn ich schon dabei bin, dann übersetze ich auch gleich den Namen der Gruppe "Lu rusciu nosciu" - "unser Lärm, unsere Töne" - "Rusciu" ist im hiesigen Dialekt eigentlich mehr Lärm, das ergäbe aber einen falschen Eindruck der Musik. Daher plädiere ich - man möge mir vertrauensvoll zustimmen für "Unsere Töne".

Naja, jedenfalls haben wir dann plötzlich doch eine Absperrung gefunden. Und geparkte Autos. Wir haben unseres dazugestellt, den Anorak feste zu und dann hin zum Concerto. Die Piazza ist winzig. 2 Palmen, 3 Parkbänke und, wie auf allen salentinischen Piazze, alte Palazzi drum herum. Die Bühne stand. Es lief vom Band Abba-Musik. In den Arkaden wurden „pittule“, in Fett ausgebackener Teig serviert, außerdem Brötchen mit heissen „servole“ – hat nur entfernt und der Form nach mit unseren Würsten zu tun und natürlich selbst gekelterten, sehr schweren Rotwein, der prima zur Kälte passte. Nicht seeeehr viele Leute, aber, wie die Italiener so schön sagen: "Pochi ma buoni" - Wenige, aber Gute!

Sie werden sich fragen, was uns in einer kalten, süditalienischen Winternacht hinausgetrieben hat.....? Ich werd’s Ihnen sagen: Die Pizzica.

Die Pizzica ist nicht einfach nur eine traditionelle Musikart. Sie ist ebenfalls nicht einfach nur ein traditioneller Tanz. Sie ist eine neu-entdeckte Lebensart. Und die Gruppe, die letzten Freitag aufspielte ist eine der bekanntesten Vertreter dieser Musikart. Herz der Pizzica ist das Tamburello. Und der Rest ist pure Lebenslust.

Ich empfehle Ihnen bei Ihrem nächsten Salento-Urlaub dringend eine Pizzica- Therapie. Sie ist heilsam, anregend, belustigend und lässt einblicken in das Land gestern....und heute.

Jedenfalls der Abend war sehr schön. Man verabschiedete das alte Jahr. Man tanzte und zog sich vor lauter Hitze vom Tanzen aus. Man sprach miteinander, aß und sang und wir erlebten ein Stück authentisches Italien. Wie es singt und lacht und tanzt und sich des Lebens freut. Prosit Neujahr!